Old-Fashioned and Magnificent: Zum Sterben schön
Zum Sterben schön
Jetzt weiß ich warum Kev uns alle zum Teufel jagte, warum er alles löschte, Abstand brauchte. Endlich kann ich es verstehen, denn jetzt bin ich in der gleichen Position. 
 
Mir stellt sich jetzt jedoch die Frage was mehr schmerzt.
Das es nach Wochen noch immer niemand bemerkt hat das ICH mich nicht mehr melde oder die Tatsache, dass sie es bemerkt haben und es sie nicht kümmert?
 
Es ist unglaublich wie viele Bücher ich in der Zeit meiner gewählten Einsamkeit gelesen habe.
Wie viele Filme ich geschaut, wie viele Spiele ich gespielt habe.
War es die richtige Entscheidung? Ist es kindisch?
Kindisch weil ich keine Notlösung für andere mehr sein will? Kindisch weil ich nicht mehr nur zur Unterhaltung dienen will, sondern Freunde haben möchte.
Und doch vermisse ich sie alle so sehr. Ich vermisse Ricky, ich vermisse Kev, selbst Uwe und Mary fehlen mir.
Alles Geister die nur noch in meiner Umgebung herum spuken, zum greifen nah, zum Erfassen so fern.
Ricky hat mir mehr oder weniger ja gesagt was ich für ihn bin.
Das ihm halbherzige Freundschaften mit Menschen die er sehen und fühlen kann wichtiger sind, als das was er mit mir hat.
Ok.
 
Ich bin eben kein mageres Soft Grunge Mädchen mit zerrissenen Netzstrumpfhosen, mit nem Joint in der einen und einer Flasche Vodka in der anderen, dass bei Sonnenuntergang auf verlassenen Bahnschienen hockt und über das einsame Leben sinniert.
 
Ich bin keine junge gestandene Frau die mit beiden Beinen fest am Boden steht, unnahbar, mit Feuer in den Augen, bereit sich jeglicher Gefahr zu stellen, die direkt, ehrlich und meist auch verletzend ist.
 
Ich bin kein Modern-Punk Mädchen mit blauen Haaren, Bandshirts, Tattoos und frechen Mundwerk, das Bier trinkt und sich nichts sagen lässt.
Das stark zu sein scheint und nachts sich in den Schlaf weint.
 
Ich bin keine zarte junge Dame, der Literatur verfallen, träumend den Kopf in den Wolken, verletzlich, nach Halt suchend, hübsch wie der Frühling, so flatterhaft wie ein Schmetterling.
 
Ich bin keine Menschenart.
Ich gehöre keiner Gattung an als wäre ich ein seltenes Tier.
Ich bin von alle dem etwas.
Ein Stück hier ein Stück da. Das macht mich zum Ganzen.
Wie eine benutzte Farbpalette, mit wie im Wahn durcheinander gemischten Farben, um Neue entstehen zu lassen.
Menschen...nein meine bisherigen Freunde waren einfach blind. Ich bin interessant, habe so viel zu bieten.
Ich bin ein Sturm an Möglichkeiten.
Aber ich fühle mich wie ein ordinäres Tier.
Sie gaben mir das Gefühl eine graue Motte zu sein, die keine Chance gegen all die wunderschönen Schmetterlinge hat, die sie anhimmelten.
 
Diese gewählte Einsamkeit wird mich höchstwahrscheinlich noch umbringen, aber ich wollte mir meinen letzten Rest an Selbstwert noch beibehalten.
Was nützen mir Menschen, die sich an meinen Feuer nicht erwärmen wollen, nur weil ein anderer einen spektakulären, blauen Feuersturm erzeugt auch wenn er kalt ist.
Meine Liebe und meine Wärme versiegen. Bald ist nichts mehr davon da.
Wie ein ausgetrockneter Brunnen.
Lieber verdursteten sie, als von meiner Quelle zu trinken.
 
Gut, ich halte sie nicht mehr auf. Ich laufe niemanden mehr hinterher, dennoch schließe ich die Türen nicht gänzlich hinter mir. Ich lasse sie ein kleines Stück weit offen.
Nur so weit, dass man wenn es wirklich nötig ist, hindurch schlüpfen kann, ohne den Sturm hereinzulassen.
 
Wut und Scham erfassen mich, wenn ich wegen all dem weine, aber ich kann nicht anders.
Man will mich nicht.
Man sieht mich nicht.
Man fühlt mich nicht.
Der Schmerz bleibt.
 
A. d. Autors: Dies hier ist eigentlich ein etwas älterer Eintrag, aber ich habe ihn wieder ausgegraben, weil meine derzeitige Situation sich darin wiederspiegelt...schon wieder.



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